Transpersonale Psychologie

Mit der Arbeit, Lehre und Ausbildung in der Transpersonalen Psychologie ist eine Richtung in Erscheinung getreten, die sich insbesondere, aber nicht ausschließlich, den höheren Ebenen des Bewusstseinsspektrums zuwendet (Wilber 1977). Ursprünglich eher aus einem humanistisch existentiellen Wachstumsmodell entstanden, versucht die transpersonale Orientierung, jene Aspekte zu integrieren, die zu einem tieferen Verstehen spiritueller Erfahrungsdimensionen beitragen können. Sie kann als ein Bestreben mit offener Zielsetzung betrachtet werden, welches die Absicht verfolgt, die menschliche Entwicklung hinzuführen zu Ganzheit und erweiterter Bewusstheit (awareness) jenseits der Grenzen, die den meisten herkömmlichen westlichen Modellen mentaler Gesundheit impliziert sind. Sie betont die im Verlauf des Wachstumsprozesses zentrale Bedeutung der Selbst-Wahrnehmung (self-awarenes).

Aus transpersonaler Sicht erweitert sich im Verlauf der menschlichen Entwicklung mit dem Heranreifen des Menschen auch sein Selbstgefühl (Wilber 1980). Das Selbstgefühl, ursprünglich ausschließlich mit dem Körper identifiziert, entfaltet sich und umfasst nun die Identifikation mit dem verbalen Ich-Bewusstsein und seinen sozialen Rollen. In der Folge taucht das unabhängige, existentielle "Selbst" als gesundes Selbstkonzept auf, beruhend auf der Integration von Leib und Seele und auf organischer Ganzheit. Die Selbstbeobachtung auf dieser Stufe unterscheidet den inneren Zeugen von den Bewusstseinsinhalten, nämlich Gedanken, Gefühlen und Empfindungen.

Neuere Untersuchungen über höhere Bewusstseinszustände (Walsh, Vaguhan 1989; Walsh, Shapiro 1983) weisen darauf hin, dass die weitere Identifikation von egozentrischen Selbstkonzepten zu einem umfassenderen Selbstgefühl führt, welches als transpersonales Selbst oder kosmisches Bewusstsein bezeichnet werden kann.

Die transpersonale Identität erweitert das Selbstgefühl und schließt höhere Bewusstseinszustände mit ein, die man zuerst in transpersonaler Gipfelerfahrung oder in tiefer Meditation plötzlich aufblitzen sehen mag. Höhere Zustände lassen sich definieren als solche Zustände, die alle Fähigkeiten des normalen Wachzustandes oder noch weitere mit einbeziehen. Aus transpersonaler Sicht ist unser normaler Wachzustand des Bewusstseins gewöhnlich zurückhaltend, eingeengt und deutlich unter dem, was er optimal sein könnte (Walsh,Vauhahn 1983).

Um zu vermeiden, dass transpersonale Identität mit undifferenzierten, vor-ich-haften Bewusstsein- zuständen verwechselt wird, muß eine Unterscheidung zwischen prä- und transpersonalen Zuständen getroffen werden (Wilber 1982). Über das Ego hinauszuwachen bedeutet nicht, Regression (zurückgreifen auf frühere Entwicklungsstufen) auf ein infantiles, ozeanisches Eins-Sein. Eine psychoanalytische Theorie, die alle Nicht-ich-Zustände mit präpersonalen Zuständen gleichsetzt, unterstellt fälschlicherweise, dass alles Nicht-Ich-hafte regressiv sei (Deikman 1977). Dieses Missverständnis ist verwirrend und kann zu Hoffnungslosigkeit und Depression auf existentieller Ebene beitragen. Es ist wesentlich, den Zusammenbruch des ichhaften Selbstkonzepts von einem Durchbruch zu einem erweiterten, umfassenderen Selbstgefühl zu unterscheiden. Wenn die transpersonalen klar von präpersonalen Zuständen abgegrenzt werden, lässt dies die gesunde Integration einer ganzen Reihe von Zuständen zu, welche die existentielle und ichhafte Identität transzendieren.

Ein Supervisor kann herkömmliche Techniken zur Schulung der Awareness (wachen Bewusstheit) anwenden, wie innovative fortschrittliche Methoden, die ihren Ursprung in östlichen Bewusstseinsdiziplinen haben. Diese Methode können Meditation, Atmen und andere Übungen zur Vertiefung der Selbsterkenntnis und zur Aufmerksamkeitsschulung einbeziehen. Transpersonale Bewusstseinsarbeit läßt sich jedoch nicht ausschließlich durch Techniken bestimmen. Die Überzeugung und Einstellung des Supervisors, der den Kontext bilde, ist ebenso wichtig wie Prozess und Inhalt von Sitzungen (Vaughan 1979).