Differenzierung

Die Anfangsstufe der Differenzierung ist vergleichbar mit dem, was in der Jungschen Terminologie als analytische Stufe bezeichnet wird. Es geht dabei vor allem um ein "Bekenntnis" und um die Aufhellung der Bekenntnisinhalte, was zu einem besseren Verstehen psychischer Prozesse führt (Sein 1982). Mit subjektiven Erfahrungen ehrlich umgehen zu lernen, ist ein wichtiger erster Schritt zur Erweiterung der wachen Bewußtheit. Es bedeutet, sich den Abwehr- und Vortäuschungsmechanismen zu stellen, die ein idealisiertes Selbstbild scheinbar schützen. Dabei können schmerzhafte Erinnerungen und eine emotionale Katharsis ebenso wie neue Einsichten in neurotische Gedanken- und Verhaltensmuster zum Vorschein kommen.

Der Prozess des Erwachens lässt sich charakterisieren durch Bewusstwerdung und Verstehen. Wer Hilfe sucht in der Absicht, ein Problem zu lösen oder ein Symptom zu lindern, wird wahrscheinlich entdecken, das ein Problem außerhalb seines Kontext nicht erfolgreich behandelt werden kann. Eine dauerhafte Veränderung hängt davon ab, daß jedes Problem als integraler Teil des Ganzen gesehen wird, als erkennbare Manifestation eines komplexen Gefüges physischer, emotionaler, mentaler und spiritueller Faktoren.

Der Prozess der Differenzierung verlangt es, mit dem Körper, den Gefühlen, Gedanken und tiefen Intuitionen, welche die Entscheidungen beeinflussen, in Berührung zu kommen. Im wesentlichen geht es in diesem Prozess darum, sich seiner selbst bewusst werden, sich seine Empfindungen, Emotionen und Gedanken zu eigen zu machen und Verantwortung für sie zu übernehmen. Wünschenswert ist eine Atmosphäre der Selbst-Akzeptanz. Das Bekennen negativer Gefühle und Gedanken und sozial inakzeptabler Impulse, verlangt eine Bereitwilligkeit, Vortäuschung zu entschleiern, sie aufzugeben und den Schatten vor denen man selbst sich fürchtet und die man deswegen auf andere projiziert.

Die Kultivierung einer rezeptiven Haltung des Lehrers und des Auszubildenden gleichermaßen ermutigt auf dieser Stufe ein freies Fließen von Bewusstem und Unterbewusstem. Das Selbst kann in bezug auf andere, auf die Welt und in Bezug auf andere Bewusstseinszustände wie Träume, Phantasien und Intuitionen die unabhängigen Ursprungs zu sein scheinen wahrgenommen werden. Dem Prozess auf dieser Stufe zu vertrauen, bedeutet, darauf zu vertrauen, daß die Psyche des Lernenden weiss, was sie braucht, und daß sie die Informationen liefern wird, die den Lehrer befähigen, angemessen zu intervenieren.

Eine Aufgabe des Supervisors besteht darin, einem auf transpersonaler Ebene arbeitenden Lernenden zu helfen, zwischen zuverlässiger innerer Führung und dem beunruhigenden Werben falscher Lehrer, innerer und äußerer, zu unterscheiden. Zuerst muss der Auszubildende lernen, mit sich in Einklang zu sein und seiner eigenen inneren Erfahrung zu lauschen. Dazu kann auch gehören, daß er lernt, seinen Verstand zum Schweigen zu bringen, seinen wirklichen Gefühlen ehrlich Ausdruck zu verleihen und mit seinen Bedürfnissen positiv übereinstimmen.

In einem zweiten Schritt lernt der Lernende, darauf zu vertrauen, daß intuitive Entscheidungen in einer Absicht getroffen werden können, die man manchmal erst später versteht. Je mehr die Verantwortung für Entscheidungen übernommen wird, desto weniger konzentriert sich der Prozess auf zwischenmenschliche Dynamik des Selbst, als Subjekt statt als Objekt, und schreiten somit zur zweiten Stufe der Transzendenz oder Disidentifikation fort.